Auf europäischer und nationaler Ebene werden Maßnahmen zur Eindämmung der #Klimakrise vorangetrieben: z.B. #VerbrennerAus bei Autos und #BrennerAus bei Heizungen. Dagegen gibt es Widerstand. Was ist nun vernünftig? Mark Schieritz / ZEIT mit klarem Kopf!
#EUGreenDeal
...#PulseofEurope
„Aufgeheizt
Man muss nicht jedes Haus neu dämmen, aber ohne Modernisierung lassen sich die Klimaziele auch nicht erreichen.
Erste Tatsache: Ein neuer Gasbrenner hält im Schnitt 15, ein Ölkessel 20 Jahre. So lange wird also beim Betrieb dieser Anlagen Kohlendioxid in die Atmosphäre ausgestoßen. Zweite Tatsache: Damit die Erderwärmung in einem einigermaßen erträglichen Rahmen bleibt, muss weniger Kohlendioxid abgegeben werden. Genauer gesagt: 65 Prozent weniger als derzeit. Und zwar bis 2035. Das hat der Weltklimarat der Vereinten Nationen diese Woche in seinem Abschlussbericht festgestellt. Und die Prognosen waren in der Vergangenheit eher zu optimistisch als zu pessimistisch.
Das passt nicht zusammen, weshalb es eigentlich nur zwei Möglichkeiten gibt: weniger heizen (beziehungsweise fahren oder fliegen) oder anders heizen (beziehungsweise fahren oder fliegen). Nicht nur in Deutschland, die Erdatmosphäre ist ein globales öffentliches Gut, ihr Schutz eine Menschheitsaufgabe. Aber eben auch in Deutschland, der viertgrößten Industrienation. Denn wenn jeder nur auf den anderen wartet, passiert am Ende überhaupt nichts. Oder bei Weitem nicht genug.
Es entsteht der Eindruck, die Ölheizung sei ein schützenswertes Kulturgut
Die Ampelkoalition hat sich für das Andersheizen entschieden. Das sollte festgehalten werden, bevor es gleich in die Details geht. Die Klimakrisenbewältigungsstrategie der Bundesregierung ist eine Modernisierungsstrategie, keine Verzichtsstrategie. Windräder statt Kohlekraftwerke, Elektroautos statt Verbrennermotoren oder eben Wärmepumpen statt Ölheizungen. Ein wenig allgemeiner formuliert: Die Technik soll ergrünen, damit die Erhaltung des materiellen Wohlstands und der Schutz des Klimas (und somit des künftigen materiellen Wohlstands) kein Widerspruch mehr sind. Jedenfalls kein so großer wie im Moment.
Ob die Transformation – hier: der Geräteaustausch – über höhere Preise für Öl und Gas, mehr Subventionen für klimaneutrale Technologien oder über Verbote herbeigeführt wird, ist dabei vor allem eine Frage der (ökonomischen) Weltanschauung. Dänemark hat den Einbau neuer Gasheizungen schon vor ein paar Jahren verboten, die USA fördern die Elektromobilität, andere Länder setzen auf eine Kombination der drei Maßnahmen. Das ist auch in Ordnung. Die Realität ist kompliziert.
Entscheidend ist (damit zu den Details): In allen Fällen wird es Leute geben, die sich das alles nicht leisten können. Um die muss sich der Staat kümmern. Deshalb war es ein Fehler, dass die zuständigen Ampelministerien einen Gesetzentwurf vorgelegt haben, der den Einbau neuer Gasheizungen ab 2024 verbietet, ohne dass geklärt ist, woher das Geld für die oft noch teureren Alternativen kommen soll. Man kann sich auch fragen, ob es sinnvoll ist, wenn die EU ihren Mitgliedsstaaten gleichzeitig auch noch eine Zwangssanierung des Gebäudebestands verordnen will. Schließlich sind Handwerker schon jetzt nicht nur in Deutschland knapp.
Das lässt sich aber durch Übergangsfristen und Ausnahmeklauseln regeln. Wie immer bei solchen Gesetzen. Das parlamentarische Verfahren hat ja noch nicht einmal begonnen. Doch darum geht es inzwischen nicht mehr. Stattdessen wird der "Heizhammer" (Bild) als eine Art unzulässiger Eingriff in die energetische Privatautonomie beschrieben. So als wäre eine Ölheizung ein schützenswertes Kulturgut und ein Turbolader eine zivilisatorische Errungenschaft.
Dabei muss sich wohl niemand an seinem Kessel festkleben. Der Gesetzentwurf sieht vor, dass bereits installierte Anlagen noch bis 2045 laufen können. Allerdings: Wenn irgendwo eine neue Heizung eingebaut wird, dann eine, die klimaschonend betrieben werden kann. Damit nicht in fünf oder zehn Jahren tatsächlich funktionierende Brenner herausgerissen und ersetzt werden müssen. Weil sonst die Klimaziele nicht erreicht werden. Oder einfach weil sich der Vertrieb von Gas oder Öl dann womöglich nicht mehr rechnet. So wie heute kaum noch Musikkassetten hergestellt werden. Oder Computerdisketten. Vermisst die jemand?
Letztlich sind Heizungsaustausch und Verbrennerverbot Versuche, das Klimaproblem einmal technisch zu lösen: Wenn erst alles elektrifiziert ist, machen wir weiter wie bisher. Ob das funktioniert, ist offen. Der Strom kommt trotzdem nicht aus der Steckdose, und weiterhin wird sehr viel Kohlendioxid eingespart werden müssen. Es wird aber ganz sicher nicht funktionieren, wenn schon die Umstellung auf eine neue Technologie als unzumutbar bekämpft wird. Man kann nicht abstrakt für den Schutz des Klimas sein – und zugleich gegen jede konkrete Schutzmaßnahme.“
https://www.zeit.de/2023/13/verbot-gas-oelheizungen-robert-habeck